Diese Woche:
.
.
©
1998 - 2001 Copyright &
|
Auto News: 22.
August 2001
Sternstunden der Technik: Mercedes-Benz präsentiert auf der IAA 2001 das neuartige Insassenschutzkonzept PRE-SAFE für die Autos von morgen Photo: DaimlerChrysler
Stuttgart - Für künftige Pkw-Modelle entwickelt Mercedes-Benz ein neuartiges Sicherheitskonzept, das die Verletzungsrisiken der Auto-Insassen noch weiter verringert. Das so genannte PRE-SAFE-System, das die Stuttgarter Automobilmarke erstmals auf der 59. Internationalen Automobil-Ausstellung (13. bis 23. September 2001) präsentiert, kann eine drohende Kollision im Voraus erkennen und aktiviert bereits vor dem Aufprall spezielle Schutzsysteme. Dazu zählen zum Beispiel neuartige Gurtstraffer und automatisch verstellbare Sitze. Für die fernere Zukunft sind überdies auch ausfahrbare Stoßfänger, schaltbare Crashboxen in der Frontstruktur oder bewegliche Innenraumteile denkbar, die Passagiere von den Deformationszonen fernhalten können. Wird die Kollision im letzten Moment verhindert, stellen sich die PRE-SAFE-Systeme in ihre Ausgangspositionen zurück und vermeiden teure Reparaturen. Das zukunftsweisende Konzept basiert auf Erkenntnissen der Mercedes-Unfallforschung, wonach bei rund zwei Drittel aller Verkehrsunfälle zwischen dem Erkennen eines Unfalls und dem eigentlichen Crash eine relativ lange Zeitphase vorausgeht, die künftig für die Aktivierung der Schutzsysteme genutzt werden kann. „Unsere aktuellen Schutzsysteme wie Airbags, Windowbags oder Gurtstraffer müssen in Millisekunden Sicherheit gewährleisten, während sich die Unfallerkennung im Sekundenbereich abspielt. Diese Zeit zu nutzen, eröffnet eine neue Dimension zum Schutz der Insassen“, erklärt Dr. Rodolfo Schöneburg, Leiter der Sicherheitsentwicklung bei Mercedes-Benz. Noch bevor Rainer Justen plötzlich auf die Bremse tritt, wird es in seinem Auto lebendig: Die Sicherheitsgurte spannen sich und halten seinen Oberkörper zurück; sie verhindern, dass er sich bei dem Bremsmanöver nach vorne verlagert und bringen ihn gegebenenfalls in eine sichere Sitzposition. Gleichzeitig neigen sich auf der Beifahrerseite und im Fond die Sitzkissen nach hinten; die Türverkleidungen bewegen sich in Richtung Innenraum und legen sich wie Schutzschilde an die Hüften der Auto-Insassen an. Sekundenbruchteile zuvor hat die Sensorik seines Wagens ein anderes Auto erkannt, das sich auf Kollisionskurs befindet. Ein Unfall droht. Deshalb aktiviert der Computer vorsorglich eine Reihe von Schutzsystemen, um das mögliche Verletzungsrisiko für die Insassen zu verringern. „Vorausschauender Insassenschutz“ -- kurz PRE-SAFE -- nennen die Sicherheitsfachleute von Mercedes-Benz diese Vision eines neuen, innovativen Sicherheitssystems für künftige Personenwagen. Rainer Justen ist Ingenieur im Mercedes Technologie-Center und beschäftigt sich seit einigen Monaten intensiv mit diesem wegweisenden Konzept, das in Zukunft weitere beachtliche Fortschritte auf dem Gebiet der Fahrzeugsicherheit ermöglichen wird. In einem Versuchswagen haben Justen und seine Kollegen bereits einige denkbare PRE-SAFE-Systeme eingebaut: automatisch ausfahrbare Stoßfänger, bewegliche Türinnenverkleidungen, sensorgesteuerte Sitze und andere Ideen für den präventiven Insassenschutz der Zukunft. Früherkennung: Vorbeugender Gefahrenschutz nach dem Vorbild der Natur
Unfallanalysen der Sindelfinger Ingenieure zeigen, dass bei zwei Drittel aller Kollisionen vor dem Aufprall genügend Zeit vergeht, um Schutzsysteme zu aktivieren. So befanden sich die Fahrzeuge bei rund 60 Prozent der über 1000 rekonstruierten Verkehrsunfälle in einem fahrdynamischen Grenzbereich, der den bevorstehenden Aufprall ankündigt. Sensorik: Berechnung der Unfallschwere schon vor der Kollision Voraussetzung für das PRE-SAFE-System künftiger Mercedes-Modelle sind Sensoren, die nicht nur einen kritischen Fahrzustand erkennen, sondern auch Daten liefern, aus denen der Computer einen Unfall mit großer Wahrscheinlichkeit voraussagen kann. Das versetzt die Elektronik in die Lage, bereits vor einem Crash geeignete Schutzmaßnahmen zu treffen. Auch bei dieser aufwändigen Sicherheitssensorik verfolgt Mercedes-Benz einen mehrstufigen Ansatz und unterscheidet vier Systeme: Fahrzustands-Sensorik: Sie beurteilt den eigenen Fahrzustand und erkennt kritische Abweichungen von den fahrdynamischen Sollwerten. Dazu misst sie beispielsweise Geschwindigkeit, Bremsmoment, Bremspedalgeschwindigkeit, Radschlupf, Beschleunigungen um die Hochachse, Ein-/Ausfederweg, Lenkgeschwindigkeit und Reifendruck. Precrash-Sensorik: Sie beobachtet zum Beispiel mit Ultraschall-, Infrarot- oder Radartechnik sowie Bilderkennung das Umfeld des Autos und erfasst den Abstand zu einem möglichen Hindernis, die relative Geschwindigkeit dazu und den möglichen Aufprallwinkel. Daraus lassen sich Informationen über die Unfallart und die Unfallschwere ableiten. Crash-Sensorik: Sie erkennt einen tatsächlichen Aufprall innerhalb weniger Millisekunden mit Hilfe von Beschleunigungs-, Druck-, Intrusions- und Kontaktsensoren, die sogar Aussagen darüber treffen können, wie schwer der Unfall sein wird. Innenraum-Sensorik: Sie stellt fest, welche Plätze im Auto besetzt sind, misst das Gewicht der Passagiere, überwacht die Gurtschlösser und wird in fernerer Zukunft per Infrarotsignal oder Bildverarbeitung auch die Position der Insassen erfassen. Prävention: Blitzschnelle Anhebung der Karosserie vor dem Aufprall Auf Basis dieser Sensordaten bereitet ein leistungsfähiger Computer die Fahrzeugkomponenten und die Fahrzeugstruktur auf einen bevorstehenden Unfall vor. Dazu lässt er zum Beispiel die Stoßfänger ausfahren und die Crashboxen in der Vorbaustruktur so aktivieren, dass je nach Unfallschwere mit angepassten Kräften einen großen Teil der Aufprallenergie absorbieren, ehe sie die Insassen belasten. Bei einem drohenden Seitenaufprall mit einem Geländewagen, einem Transporter oder Lastwagen hebt der Computer mittels aktiven Fahrwerks (Active Body Control) die Karosserie an, um die Kompatibilität zu verbessern. Gleichzeitig schließt sich das Schiebedach automatisch, damit die Insassen bei einem etwaigen Überschlag nicht herausgeschleudert werden. Innenraum: Sitze, Lenkrad und Türverkleidungen automatisch in Schutzposition Auch der Innenraum gerät in Bewegung, wenn die Elektronik eine hohe Unfallwahrscheinlichkeit errechnet hat. Sinn dieser Maßnahmen ist es, die Passagiere bereits vor einem Aufprall in eine Position zu bringen, in der sie bestmöglich geschützt sind: Die automatische Sitzverstellung senkt bei Bedarf das Sitzkissen hinten ab und stellt die Lehnenneigung so ein, dass Airbag oder Gurt optimal arbeiten können. Die Gurtstraffer werden bereits vor dem Aufprall aktiviert und verhindern, dass sich die Insassen bei einer Notbremsung zu weit nach vorne bewegen oder dass ihre Oberkörper beim Schleudern des Autos zu stark seitwärts pendeln. Versuche der Mercedes-Ingenieure zeigen, dass der PRE-SAFE-Gurtstraffer die Vorverlagerung der Passagiere um bis zu 150 Millimeter und die seitliche Bewegung um bis zu 300 Millimeter verringert. So befinden sich die Insassen beim Aufprall in einer Sitzposition, in der die Airbags ihre Schutzwirkung voll entfalten können. Aus der Instrumententafel fährt automatisch ein Knieschutz heraus und mindert bei einem Frontalaufprall die Belastung der Beine. Denkbar wären auch Türinnenverkleidungen, die sich vor dem Crash auf die Insassen zu bewegen und sie von den Karosseriezonen fernhalten, die bei einem Unfall eventuell ins Wageninnere eindringen können. Die gleiche Stützfunktion könnten auch ausfahrbare Verkleidungsteile an den Innenseiten der B-Säulen übernehmen. Sowohl die Sensoren als auch die eigentlichen Schutzeinrichtungen des PRE-SAFE-Systems hat Mercedes-Benz bereits so weit entwickelt, dass sie in praktischen Versuchen erprobt werden können. Dabei gilt ein wichtiger Grundsatz: Die neuartigen Systeme dürfen die Fahrbarkeit des Autos nicht beeinträchtigen. Kann der Unfall in allerletzter Sekunde verhindert werden, sollen sie sich wieder in ihre Ausgangspositionen zurückstellen. Fernziel: Unfallfreies Fahren durch „mitdenkende“ Systeme Für die ferne Zukunft hat Mercedes-Benz die Sicherheitsziele noch höher gesteckt. Ein „denkendes“ Auto steht auf dem Plan, das seine Umgebung erkennen soll. Dafür muss es nicht nur die Fahrspur oder andere Fahrzeuge sicher erkennen, sondern auch Ampeln, Verkehrszeichen und Fußgänger. Überdies werden die Autos der Zukunft Verkehrsszenen interpretieren und notfalls selbst reagieren, um Unfälle zu vermeiden. So wollen sich die Automobilforscher schrittweise ihrem Fernziel nähern: dem weitgehend unfallfreien Autofahren. (17.08.2001) [Home] [ News] [ Diskussion] [ Kalender] [ Jobs] [ Travel & Golf] |