Der virtuelle Sicherheitsgurt
Ein Frontradar mit langer Reichweite ist dazu
bestimmt, alle Objekte, die während der Fahrt vor dem Auto erscheinen,
zu melden, und außerdem in der Lage, eine Auswahl zu treffen und zum
Beispiel überhöhte Objekte wie Brücken oder Werbeflächen und
Beschilderungen am Straßenrand auszusondern.
Eine Frontkamera erkennt - mit Unterstützung von
zwei weiteren Sensoren - den Verlauf der Fahrspur und die Position des
Autos innerhalb der Spur und unterscheidet, ob sich das vom Radar
erfasste Hindernis wirklich auf der Fahrstrecke befindet (und damit
gefährlich ist) oder nicht.
Weitere zwei Kameras befinden sich oben seitlich
an der Windschutzscheibe und können die Größe des Hindernisses (der
Radar erlaubt eine präzise Bestimmung der Entfernung, aber nicht der
Außenkonturen) und den Bereich erfassen, in dem das Auto ein
gefahrenfreies Ausweichmanöver ausführen kann (die Kameras arbeiten
stereoskopisch wie das menschliche Auge). Sechs seitliche Radare mit
kurzer Reichweite (drei für die linke Flanke und drei für die rechte
Flanke) haben die Aufgabe, die Hindernisse auf den seitlichen
Fahrbahnspuren zu erfassen. Zwei Kameras, die zum Fahrzeugheck
gerichtet sind, kontrollieren die blinden Winkel und melden eventuell
überholende Fahrzeuge. Und schließlich gibt es noch drei Heckkameras
und eine Kamera für das Parken.
Mit diesen Sensoren wird kontinuierlich der Manöverbereich
des Lancia Nea überwacht und um das Konzeptauto ein virtueller
Sicherheitsgurt (virtual safety belt) geschaffen, das Unfälle
vermeiden kann. Jedes der erwähnten Erfassungssysteme verfügt über
eine eigene Rechnereinheit, die eine erste Auswertung der Daten
vornimmt und die wichtigen Informationen an einen Computer mit
Supervisorfunktionen sendet.
Dieser Computer sammelt alle Informationen,
ermittelt eventuelle Gefahrensituationen und sendet bei Erfordernis
der Steuereinheit für die Stellglieder der Bremsen, des Motors, der
Lenkung usw. den Befehl, den Sicherheitsabstand zu verringern, zu
beschleunigen, dem Hindernis auszuweichen usw.
Brems- und Ausweichmanöver in Notfällen
Einzig zum Zweck der Abweisung eines Unfalls,
nimmt der Lancia Nea automatisch Brems- und Ausweichmanöver ohne
Eingriff von Seiten des Fahrers vor. An dieser Stelle sind allerdings
einige Klärungen erforderlich. Heute führt das Auto das Manöver nur
in einer kontrollierten Situation wie auf einer Teststrecke aus und
ist es in jedem Fall erforderlich, dass der Fahrer die Hände vom
Lenkrad nimmt.
In diesem Fall hat das Konzeptauto einen sehr
weit gehenden Umsetzbarkeitstest der Einrichtung erlaubt. Erst die
Autos in den kommenden Jahren werden dieses Manöver automatisch und
unabhängig davon, ob der Fahrer die Hände auf dem Lenkrad hat oder
nicht, ausführen können. Hierfür muss das Auto vollkommen by wire
gefahren werden, das heißt ohne physische Verbindung zwischen den
Befehlselementen (Gaspedal, Lenkrad, Bremse, Gangschalthebel usw.) und
den Stellgliedern, welche die angeforderten Betätigungen ausführen.
Das heißt: Es wird gebremst, ohne direkt ein
Hydrauliksystem zu betätigen, sondern man gibt Impulse aus, die über
eine elektrische Leitung an eine Steuereinheit gesendet werden. Diese
Steuereinheit wiederum befiehlt den hydraulischen Stellgliedern die
Bremsung. Es wird gelenkt, ohne direkt die Zahnstange zu betätigen:
über ebenfalls einen elektrischen Impuls wird der Steuereinheit die
Absicht zum Richtungswechsel mitgeteilt, die ihrerseits an die
Stellglieder den Befehl gibt, die Räder in einem bestimmten Winkel
auszurichten.
Infocar - Online mit der Welt
Die Erwartungshaltungen der Kunden gehen
eindeutig in eine Richtung: im Auto möchte man das gleiche Ambiente
wiederfinden, das man soeben zu Hause oder im Büro verlassen hat.
Damit ist der Weg der telematischen Bordeinrichtungen bereits
vorgezeichnet. Begonnen wird bei einer Basiseinheit, bestehend aus
einem GSM-Telefon und einem GPS-Satelliten-Ortungsgerät (die schon
die Inanspruchnahme zahlreicher Funktionen erlauben), um anschließend
graduell und über die neuen Technologien, die nach und nach verfügbar
sind (zuerst Gprs und später Umts), zum Full-Internet zu gelangen,
das heißt, zum World Wide Web, wie wir es von unserem PC her kennen.
Eine intelligente und unaufdringliche
Schnittstelle
Die Techniker nennen sie HMI oder Human Machine
Interface, zu Deutsch Mensch-Maschine-Schnittstelle. Diese umfasst die
Gesamtheit von Einrichtungen, über die Mensch und Fahrzeug in den
Dialog treten können. Auch auf diesem Feld zeigt der Lancia Nea die
Resultate, die von den Konstrukteuren von Lancia und dem Fiat-Forschungszentrum
bei einem Projekt erreicht wurden, das auf das Zusammenfassen von
bisher separat entwickelten Technologien in gemeinsame Themenbereiche
abzielt, die selbstverständlich nach den Kriterien und Zielen der
Marke aufbereitet wurden.
Nach der Logik einer benutzerfreundlichen
Technologie arbeiten auch sämtliche Vorrichtungen des Prototyps,
welche die Merkmale und Leistungen des Fahrzeugs auf die Vorlieben und
Gewohnheiten des Benutzers abstimmen. Nichts ist einfacher zu benutzen
als ein Fahrzeug, das man um nichts bitten muss. Denn es weiß, wann
es die Lichter einzuschalten und den Scheibenwischer und die Bremsen
zu betätigen hat. Weil es von allein „lernt": mit dem „Ego
Mode"-Getriebe eignet es sich auf den ersten Kilometern unseren
Fahrstil an und gibt ihn jedes Mal erneut vor. Weil es uns anhand der
Informationen aus der Smart-Card erkennt und ohne jegliche Anweisungen
alles nach unserem Geschmack einrichtet, angefangen beim Sitz und dem
Lenkrad über das Bordpaneel und dessen Grafik bis hin zur Helligkeit
und Farbe des diffusen Lichts und zum Klima.
Die Elektrochromfenster
Der Empfang, den der Lancia Nea seinem Eigentümer
bereitet, ist nicht die kalte Reaktion einer Maschine, sondern die „emotionale"
Reaktion eines echten Reisegefährten. Die Fenster und das Dach des
geparkten Fahrzeugs wechseln langsam von Dunkel auf Durchsichtig und
das Auto schaltet die Beleuchtung ein.
Diese Simulation gibt einen Ausblick auf die nächste
Zukunft, wenn die Technologie der Elektrochromfenster (für den
Statuswechsel nutzen sie die Potenzialdifferenz zwischen den beiden
Seiten der Glasscheibe), die im Bauwesen schon seit längerer Zeit im
Einsatz ist, auch für abgerundete Flächen wie die Fenster von
Automobilen verfügbar ist.
(8. September 2000)
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