- Innovative
Strategien garantieren Produktion auf höchstem Niveau
- 546
Systeme überwachen vollautomatisch die Fertigungslinien
- Laser-
und CCD-gestützte Kontrollen in der Fertigung
- Diamantwerkzeuge
für µ-genaue Bearbeitungen
Kaiserslautern - Zurzeit entsteht am Opel-Standort
Kaiserslautern eine hochmoderne Produktionsanlage für innovative
ECOTEC-Leichtmetall-Motoren. Die 2.2 Liter-Version dieser Triebwerkreihe
wird momentan noch im GM-Schwesterwerk im amerikanischen Tonawanda
produziert und feierte zu Beginn des Jahres im Astra Coupé Premiere.
Das Aggregat leistet hier 108 kW (147 PS) bei 5.800 Umdrehungen pro
Minute und macht das neue Coupé 218 km/h schnell. Dabei begnügt sich
das 138 Kilogramm leichte Triebwerk mit 8,4 Liter Superbenzin pro
hundert Kilometer und unterbietet die zukünftige Abgasnorm Euro 4. Ab
Herbst diesen Jahres wird das agile Aggregat auch im Speedster zum
Einsatz kommen. Hier sorgt der nur 138 Kilogramm leichte Vierzylinder für
fulminante Fahrleistungen: Aus dem Stand sprintet der zweisitzige
Leichtbau-Roadster in 5,9 Sekunden auf Tempo 100 und erreicht eine
Spitze von 220 km/h. Dabei begnügt sich der ebenfalls nach der Euro
4-Norm eingestufte Mittelmotor-Sportwagen mit 8,2 Litern Superbenzin pro
100 Kilometer.
Ab Frühjahr 2001 werden sämtliche
Leichtmetall-Motoren für Europa und die Märkte außerhalb der USA in
Kaiserslautern produziert. Aus diesem Grund kommen, wie bei den
abgeschlossenen Planungsarbeiten, auch beim momentanen Aufbau und in der
zukünftigen Produktionsphase völlig neue Strategien zum Einsatz, die
stabile Fertigungsprozesse und ein ausgezeichnetes Qualitätsniveau
garantieren.
Das mit dem Kürzel QS 9000 bezeichnete Programm
wird bei Opel erstmals bereits in der Planung im weltweiten General
Motors Powertrain-Verbund eingesetzt. Damit besitzt die neue
Motorenfertigung in Kaiserslautern für den Aufbau zukünftiger
Komponentenwerke einen ähnlichen Modellcharakter wie zu Beginn der
Neunziger das Opel-Werk Eisenach für andere Automobilwerke im
Konzernverbund. QS 9000 umfasst alle Unternehmensbereiche: von der
Entwicklung bis zum Kundendienst. Prüfverfahren, Abläufe sowie die
Kommunikation zwischen einzelnen Abteilungen und Zulieferern werden
standardisiert und neu strukturiert. Besonders gestärkt werden Prozesse,
die eine schnellere Anpassung an sich ändernde Kundenanforderungen
sicherstellen. Der weltweit anerkannte Standard QS 9000 wurde von
General Motors, Ford und Chrysler entwickelt und speziell auf die
Belange der Automobilindustrie abgestimmt. Die einzelnen Elemente gehen
dabei über die Anforderungen der ISO 9000-Reihe hinaus. So durchlaufen
zum Beispiel unter Serienbedingungen hergestellte Motor-Prototypen und
der gesamte Fertigungsablauf selbst einen komplexen Abnahme- und Prüfprozess,
noch bevor die Produktion startet.
Genaueste Fertigungsanalyse bereits während der
Produktentwicklung
Bereits in einer frühen Produktentwicklungsphase
der innovativen Leichtmetall-Motorenfamilie begannen die Arbeiten an
einem umfassenden Qualitätskonzept für die spätere Fertigung.
Spezielle Teams, denen Ingenieure aus den Bereichen Produktentwicklung,
Produktionsplanung, Qualitätssicherung, Instandhaltung und Fertigung
angehörten, durchleuchteten die verschiedenen Fertigungsabläufe und
legten mit Hilfe eines Punktekataloges die Bedeutung bestimmter
Kontrolloperationen fest. Dabei orientierten sich die Teammitglieder an
drei Kriterien: Zunächst bestimmten sie die Wahrscheinlichkeit, mit der
ein Problem auftreten könnte, und danach die potenziellen Auswirkungen
auf das Produkt und den Produktionsprozess. Anschließend untersuchten
sie die bereits integrierten Kontrolleinrichtungen und Gegenmaßnahmen
auf ihre Wirksamkeit. Ergaben sich aufgrund dieser detailgenauen
Untersuchungen des gesamten Produktionsprozesses neue Angaben, wurden Lösungen
erarbeitet, die mögliche Schwachstellen direkt beseitigen. Ist dies
nicht möglich, installieren die Planer zusätzliche
Kontrolleinrichtungen, welche die jeweilige Quelle sicher
diagnostizieren können und entwickeln neue Abwehrstrategien. Trotz
dieser umfangreichen Entwicklungsarbeit gaben sich die
Fertigungsingenieure aber immer noch nicht zufrieden. Um selbst auf die
größtmöglichen Unwägbarkeiten in dem äußerst komplexen
Produktionsprozess vorbereitet zu sein, entwarfen sie einen bis ins
kleinste Detail ausgearbeiteten Ablaufplan, der eventuelle
Unstimmigkeiten in der Produktion - etwa durch den Absturz von mehrfach
abgesicherten Computerprogrammen für die Maschinensteuerungen - sicher
behebt.
Qualitätskontrollen: High Tech
Zu den wichtigsten Kontrollmechanismen in der
Leichtmetall-Motorenfertigung gehören die prozessintegrierten Systeme.
Sie überwachen zusätzlich zu den Mitarbeitern den gesamten
Fertigungsprozess vollautomatisch und gewähren somit einen
100prozentigen Check der jeweiligen Bearbeitungs- und
Montagefortschritte. Registrieren diese Einrichtungen Daten, welche die
vorgegebenen, engen Toleranzwerte überschreiten, wird das Band
automatisch gestoppt und erst nach der Behebung der Schwierigkeiten
wieder freigegeben. Wie wichtig diese Werkzeuge zur Sicherung stabiler
Fertigungsabläufe sind, beweist eine Vergleichszahl. Waren es zu Beginn
der Fertigung im benachbarten Dieselmotorenwerk noch 350 sogenannte
"Poka Yoke"-Kontrollsysteme, so werden im
Leichtmetall-Motorenwerk bereits 546 installiert.
Grundvoraussetzung für eine qualitätsorientierte
Serienproduktion sind zunächst die installierten Bearbeitungs- und
Montagemaschinen. Wie präzise diese Produktionstechnik mittlerweile
arbeitet, beweist der Blick in eine Fügestation der
Zylinderkopf-Montaglinie. Selbst die wenige Millimeter großen
Ventilkeile werden dem Fertigungsroboter vollautomatisch in der
richtigen Position zugeführt und anschließend exakt montiert. Ein
weiteres Beispiel: Sämtliche Bearbeitungsmaschinen für die
angelieferten Rohteile (Zylinderblock und -kopf, Kurbelwelle,
Nockenwelle, Pleuelstange) produzieren im µ-Bereich (1/1000 mm).
Je nach Kontrollvorgaben der Ingenieure kommen in
den verschiedenen Produktionsbereichen unterschiedliche Systeme zum
Einsatz, beispielsweise Digital-Kameras, die über eine elektronische
Bildverarbeitung den Prozessablauf kontrollieren. So wird in der
Zylinderkopf-Montagelinie der genaue Auftrag von Klebemittel überwacht.
Das elektronische Auge erkennt Fehler bei der Positionierung oder
Dosierung und stoppt im Bedarfsfall die Linie bis zur Problembehebung.
In der Endkontrolle dieses vollautomatisierten Montagebereiches führen
ebenfalls elektronische Augen Regie. Hier kontrollieren Kameras, ob die
für den jeweiligen Motorentyp richtigen Nockenwellen montiert sind.
Anschließend werden die Nockenwellen der Ein- und Auslass-Seite von
einem Elektromotor gedreht. Die Messelektronik diagnostiziert anhand der
erfassten Schleppmomente fehlerhafte Teile, Material- oder
Montageprobleme und schleust defekte Zylinderköpfe aus der laufenden
Produktion aus. Neben der Überwachung mit Digital-Kameras kommen auch
lasergestützte Kontrollstationen zum Einsatz. Beispiel automatische
Ventilmontage: Hier kontrolliert eine nachgeschaltete Station mit
Laserlicht, ob die für den jeweiligen Motortyp richtigen Ein- und
Auslassventile korrekt in den Zylinderkopf gefügt wurden.
Eine effektive Prozesskontrolle verlangt jedoch
nicht immer nach High Tech-Einrichtungen, wie Prüfstationen in der
Bearbeitungslinie für den Zylinderblock beweisen. Hier fahren einfache
Metallstifte in die zuvor bearbeiteten Bohrlöcher. Dabei wird deren
korrekte Lage überprüft. Zusätzlich werden Brüche der verschiedenen
Bohrköpfe zuverlässig diagnostiziert. Bei einer anderen Station fährt
der Bearbeitungskopf, bestückt mit fünf Bohrköpfen, nach jeder
Operation an eine Kontrollplatte. Nur wenn alle dort angebrachten
Druckkontakte durch die Bohrer betätigt werden, erfolgt die Freigabe
zur Bearbeitung des nächsten Zylinderblockes. Fehlt das OK-Signal eines
Bohrers, liegt ein Bruch des Bearbeitungswerkzeuges vor, die Station
wird automatisch gestoppt und erst nach dem Wechsel des Bohrers wieder
freigegeben. In diesen Produktionsbereichen des Alu-Motorenwerkes kommt
außerdem die sogenannte Messsteuerung zum Einsatz. Um die engen
Toleranzen jederzeit zu gewährleisten, kontrollieren prozessintegrierte
Messstationen ständig die Bearbeitungsschritte. Falls sich die
erfassten Werte den vorgegebenen Toleranzgrenzen nähern, korrigiert die
Messsteuerung sofort die Einstellungen der Bearbeitungsmaschine.
Neben den prozessintegrierten Kontrolleinrichtungen
werden in den Produktionsbereichen Zylinderkopf, Zylinderblock und
Kurbelwelle nach einem genau festgelegten Plan zusätzlich fertig
bearbeitete Komponenten von einem 3 D-Messautomaten auf das µ (1/1000
Millimeter) genau vermessen. Diese Stichproben dienen der zusätzlichen
Produktionskontrolle und geben frühzeitig Auskunft, wenn sich einzelne
Bear- beitungsschritte ihrer Toleranzgrenze nähern. Ähnlich werden die
Bohrungen der unteren und oberen Pleuelaugen sowie die bearbeiteten
Nockenwellen stichprobenartig auf Maßhaltigkeit überprüft, auch hier
steht die Diagnose eventueller Annäherungen an die Toleranzgrenzen im
Mittelpunkt.
Wertvolle Synergieeffekte durch weltweite
Kooperation
Beim Aufbau der Produktionsanlagen können Planer
und Ingenieure auf die Erfahrungen anderer, hochmoderner Opel- und
General Motors-Fertigungsstandorte zurückgreifen. So nutzen die Qualitätsspezialisten
beim Aufbau der Kaiserslauterer Motorenschmiede die Erfahrungen aus den
Werken Tonawanda (USA), Aspern (Österreich) und dem benachbarten
Dieselwerk. Das unter dem Motto "Lessons learned" stehende
Programm umfasste insgesamt rund 250 Verbesserungspunkte, wovon allein
180 Änderungsvorschläge aus dem amerikanischen Schwesterwerk Tonawanda
implementiert wurden. So integrierten die Fertigungsingenieure in der
Bearbeitungsstation der Zylinderbohrungen beispielsweise eine
Abdeckplatte, die das Eindringen von Metallspänen in den Wassermantel
des Motorblocks verhindert und modifizierten die nachgeschalteten
Waschanlagen. Ausschlaggebend für diese Maßnahme waren die Erfahrungen
aus Tonawanda. Dort hatten zurückbleibende Metallspäne im Kühlkreislauf
des Motors für Probleme gesorgt.
Manuelle Nacharbeiten sind im neuen Werk tabu
Im Alu-Motorenwerk gehören die in anderen
Motorenwerken üblichen Reparaturschleifen der Vergangenheit an.
Hintergrund: Bislang wurde nach diagnostizierten Montage- oder
Bearbeitungsfehlern das entsprechende Teil aus der laufenden Produktion
geschleust, manuell nachgearbeitet und der Linie hinter der jeweiligen
Bearbeitungs- und Kontrollstation wieder zugeführt. Nachteil: Die
jeweiligen Messeinrichtungen der Maschine wurden umgangen. Dieses Manko
eliminierten die Ingenieure mit einer völlig neuen Methode. Erkennt die
Station Montageprobleme, wird das entsprechende Teil ausgeschleust, von
den Mitarbeitern in den Zustand vor der Bearbeitung zurückgebaut und
vor der entsprechenden Station dem Produktionsprozess wieder zugeführt.
Anschließend durchläuft das Teil erneut diese Fertigungsphase; so
bleiben alle Prozesskontrollen erhalten.
Diamanten für perfekte Bearbeitungsergebnisse
Ebenso wichtig wie die umfangreichen
Kontrollmechanismen sind Konzeption und Bereitstellung der verschiedenen
Werkzeuge für die Bearbeitungsmaschinen. Insgesamt verfügt das
Leichtmetall-Motorenwerk über 131 Bearbeitungsstationen. Rund 640
verschiedene Werkzeuge - vom wenige Millimeter dünnen Bohrer bis zum Fräsrad
mit 70 Zentimeter Durchmesser - garantieren ein perfektes Finish der
verschiedenen Teile. Im zentral gelegenen "Tool Center"
bereiten Spezialisten alle notwendigen Werkzeuge vor. Eine digitale
Bildverarbeitung unterstützt die Einstellarbeiten und garantiert
geringste Toleranzen zwischen 2 und 3 µ (1µ = 1/1.000 Millimeter). Da
die Einstellarbeiten mit den gleichen Werkzeugaufnahmen vorgenommen
werden, die auch in den Bearbeitungsmaschinen installiert sind,
entfallen nach einem Werkzeugwechsel die zeitintensiven Einstellarbeiten.
Für bestimmte Operationen können die Spezialisten Werkzeuge mit
Schneidplatten aus polykristallinen Diamanten einsetzen, die neben einer
überragenden Maßhaltigkeit auch eine wesentlich höhere Standzeit
aufweisen. Statt der üblichen Wechselintervalle nach 6.000 bis 8.000
bearbeiteten Teilen können die kurz PKD genannten Schneidwerkzeuge bis
zu 80.000 Teile ohne Qualitätseinbußen in Form bringen.
Zulieferer sind wichtiger Bestandteil der Qualitätsoffensive
Ein weiterer Baustein im umfangreichen QS
9000-Konzept ist die enge Einbindung der Zulieferer in den gesamten
Entwicklungs- und Produktionsprozess. So garantieren die
Zulieferbetriebe, nach den gleichen Qualitätsmerkmalen zu produzieren
wie das Alu-Motorenwerk. Lange vor Produktionsbeginn überprüfen
Opel-Ingenieure die Fertigungsanlagen der Lieferanten und erteilen erst
dann eine Freigabe, wenn die strengen Qualitätskriterien erfüllt sind.
Im laufenden Produktionsprozess kann dann die stichprobenartige
Eingangskontrolle der Zulieferteile entfallen, weil der Lieferant
einerseits umfangreiche Ausgangskontrollen installiert hat. Andererseits
sind die Prüf- und Kontrollmechanismen innerhalb der Produktionsanlagen
so umfangreich, dass jedes von der Norm abweichende Zulieferteil zuverlässig
erkannt und ausgeschleust wird.
Umfangreicher Trainingsplan für die Mitarbeiter
Die gesamte Produktion des unter der Leitung des
Internationalen Technischen Entwicklungszentrums ITEZ entwickelten
Leichtmetall-Motors basiert auch auf modernster Arbeitsorganisation. Im
Mittelpunkt dieser Philosophie stehen hoch qualifizierte und motivierte
Mitarbeiter, die bereits in einem sehr frühen Stadium in das neue
Fertigungskonzept eingebunden sind. So startete das umfangreiche
Trainingprogramm für die ersten Mitarbeiter bereits mit dem Beginn der
Bauarbeiten im Januar 1999. Ziele dieser Maßnahme: Die Beschäftigten
lernen ihr Werk in allen Bereichen von Beginn an kennen, verstehen den
gesamten Produktionsablauf und können so ihren zukünftigen
Arbeitsbereich wesentlich flexibler und damit interessanter gestalten.
Neben der Aufbauarbeit werden die Mitarbeiter auch in zahlreichen
Seminaren innerhalb und außerhalb des Werkes auf ihre neuen Aufgaben
vorbereitet. Im Methoden- und Trainingszentrum machen sie sich mit dem
neuen Produkt intensiver vertraut. Hier werden die späteren
Montagearbeiten genau festgelegt und exakte Zeit- und Logistikpläne von
den Mitarbeitern eigenverantwortlich erarbeitet.
(20. Juli 2000)
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